Red Lady
2012
Fabric, epoxy resin, fibre glass, steel, lacquer.
Height 2 m.
Rede zur Enthüllung des Objekts „Rote Dame für Borbeck“, (2007), am 2.12.2012
Fünf Jahre nach der Einzelausstellung von Anja Luithle in der Städtischen Galerie Schloß Borbeck („Moving Identities“, 2007) hat nun ihre Plastik „Rote Dame für Borbeck“ einen dauerhaften Ort auf dem neu gestalteten „Borbecker Platz“ gefunden. Die rote Figurine, Identifikationobjekt und Trägerin von Rollen und Emotionen, hat für Anja Luithle eine besondere Bedeutung. Neben dieser „Borbecker Dame“ sind weitere Arbeiten für verschiedene Orte in Baden-Württemberg entstanden: 1. „Gratwanderin“ (2002/2011), Haus der Geschichte Stuttgart. 2. „Wegweiserin“ (2009), Kreisverkehr Eislingen. 3. „Rote Dame II“ (2007), Essen-Borbeck. 4. „Springerin“ (2012), Stadt Fellbach, Fertigstellung 2013.
Die Reihe der „Roten Damen“ begann 1996 mit einer Figurine im Samtkleid, einer kinetische Figur für den Innenbereich, die beim Nähertreten anfängt zu zittern (Slg. Kunsthalle Göppingen). Typisch für Anja Luithle ist, dass ihre Objekte und Installationen vorwiegend aus dem traditionell weiblich zugeordneten Bereich stammen. Oftmals sind sie als kinetische Arbeiten konzipiert, die sich wie von Zauberhand bewegen, seien es lange Taftröcke, die sich durch ein Händeklatschen plötzlich hin- und herdrehen, Kleidobjekte, die sich wie Figuren stereotyp hin und herbewegen oder Damenschuhe, die sich auf einer Schiene vor- und zurück bewegen. Auch in anderen Installation wie „Kaffeetafel“ oder der Arbeit mit dem Titel „Meine Suppe“ (2007 in der Städtischen Galerie Schloß Borbeck), bewegen sich die Gegenstände wie nach einem geheimen Kommando. Sie entlocken dem Betrachter zwar zunächst ein Lächeln, es werden jedoch auch Rollenmuster ironisiert und hinterfragt.
Anja Luithle hatte 2007 für die Essener Ausstellung neben den Installationen und Objekten in der Galerie eigens zwei Arbeiten für den Außenbereich des Schlosses geschaffen: „Die Schwimmerinnen“, zwei rote weibliche Torsi, die auf dem Schlossteich in einem bestimmten Abstand sich leicht im Wind hin und herbewegten und die „Rote Dame II“, die im Rondell vor dem Schloß Borbeck platziert war. Anja Luithle hatte sie damals mit einem Drehmotor versehen, so dass sie sich leicht nach links und rechts drehen sollte. Die nun dauerhaft hier verbleibende Arbeit ist nun statisch konzipiert, die etwas erhöht auf einem Absatz von ca. 50 cm steht. Die architektonische Rahmensituation der vier Pfeiler und des Baldachins wie auch der leicht erhöhte Stand betonen ihre Alleinstellung.
Eine ganz besondere ortsbezogene Bedeutung erhält die Arbeit durch den Ort des Borbecker Schlosses, für den sie ursprünglich entstanden ist. Das Schloss war seit dem 14. Jahrhundert die Residenz der Essener Fürstäbtissinnen, die einem der reichsten und bedeutendsten Damenstifte des Hochadels vorstanden. Die Farbe Rot des Kunstwerks verweist in diesem speziellen Kontext symbolisch auf Herrschaft und Macht, die die Essener Fürstäbtissinnen in weltlicher und geistlicher Hinsicht ausübten. Der Ort der Aufstellung in Sichtweite der Dionysiuskirche ist insbesondere sinnstiftend, da diese Kirche seit dem Spätmittelalter den Fürstäbtissinnen, die in der Borbecker Residenz weilten, auch als Pfarrkirche diente. In der Dionysiuskirche selbst ist die Fürstäbtissin Elisabeth von Manderscheidt-Blankenheimein bestattet worden (gestorben 1598). Ihr Epitaph, den ihre Familie nach ihrem Tod in Auftrag gab, zeigt sie in demütiger betender Haltung. Das Selbstverständnis späterer Fürstäbtissinnen betont allerdings eher ihre Machtposition, d.h. mit ihrem fürstlichen Rollenverständnis war auch stets die Farbe „Rot“ verbunden: so ließ sich Anna Salome von Salm Reifferscheidt Mitte des 17. Jhs. in einem eleganten roten Kleid darstellen, Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach ließ sich als Landesfürstin um 1770 in rotem Samtmantel mit Hermelinbesatz porträtieren (Amtszeit: 1726 – 1776, Johan Jacob Schmitz, Franziska Christine und Kammermohr, um 1770, Öl/Lwd., eine Kopie befindet sich im Schloß Borbeck).
Die „Rote Dame II“ ist die erste Arbeit der Künstlerin, die in Nordrhein-Westfalen steht. Neben den bereits vorhandenen Arbeiten in Essen-Borbeck von Waldemar Otto, Max Schmitz und Dietrich Klinge ist es nun die 6. Skulptur, die aufgrund der unermüdlichen Initiative von Borbecker Privatpersonen erworben werden konnte.
Inge Ludescher, Essen 2.12.2012